Ein Netzwerk fürs autonome Fahren

Wie Karlsruher Forscher mit künstlicher Intelligenz den selbstfahrenden Shuttlebus fernsteuern.

Ein Netzwerk fürs autonome Fahren

Von Erika Becker - BNN Ausgabe vom 14.10.2023

Karlsruhe. Im Gegenlicht der grellen Morgensonne ist das Hindernis erst spät zu erkennen. Der autonom fahrende Shuttlebus auf dem Gelände des KIT-Campus Ost kommt dennoch rechtzeitig zum Stehen. Ein Leitstand übernimmt die Führung dieser für das Shuttle unbekannten Situation – ein fernab vor vielen Monitoren sitzender Mensch hat jetzt die Steuerung zu leisten. Ein Szenario, wie dem Personalmangel im öffentlichen Nahverkehr abgeholfen werden könnte: Das Fahrzeug und auch die Umgebung sind mit so vielen Sensoren wie etwa Kameras ausgestattet, dass künftig ein „Operator“ in der Leitwarte das Fahrzeug in der intelligenten Stadt, der „smart city“, bei Problemfällen steuern kann. Doch das ist noch absolute Zukunftsmusik, die ein Konsortium aus mehreren Partnern unter dem Namen „Kiglis“ aus Anlass der Science Week vorstellte.

Es ist ein Zusammenspiel aus Forschung und Industrie. Christoph Schweikert - TelemaxX

Mit vier Millionen Euro wurde das Projekt, das an diesem sonnigen Freitag nach drei Jahren seinen Abschluss fand, hauptsächlich vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert. Die Bedingung der Geldgeber war, dass die Forschung mit Blick auf ihren praktischen Nutzen eng mit Unternehmen verzahnt wird, die auch davon profitieren. Für den Betrieb der Shuttle-Busse und des Leitstandes war das Karlsruher Forschungszentrum Informatik (FZI) zuständig. Es hat schon viel Erfahrung mit diesen Shuttle-Bussen im Karlsruher Stadtteil Weiherfeld-Dammerstock gesammelt – dort wäre ein einfaches Hindernis wie im Kiglis-Szenario übrigens kein Problem, zumal ein sogenannter „Sicherheitsfahrer“ dort immer mit an Bord ist. Der Shuttle würde das Hindernis hier unter Beachtung der Verkehrsregeln umfahren.

Der selbst fahrende Shuttlebus kommt im Kiglis-Forschungsprojekt rechtzeitig zum Stehen und wird aus der Ferne um das Hindernis auf der Straße herumgeleitet. Foto: Rake Hora

Im Campus Ost hingegen spielt am frühen Freitagmorgen erst einmal die Technik nicht mit – der Steuerbefehl vom Leitstand konnte am Hindernis nicht übermittelt werden. Doch auch bei komplexen Forschungsvorhaben hilft ein simpler Neustart – und schon rollt der Shuttle weiter. Zum Verbund an Kiglis-Partnern gehören auch das KIT, der Netzwerkausrüster Nokia und der regionale Betreiber von Rechenzentren Telemaxx. All die Daten, die hierfür nötig sind, laufen im Hagsfelder Rechenzentrum der Telemaxx zusammen. „Wir haben sozusagen die Spielwiese für die Szenarien vorbereitet“, sagt Christoph Schweikert. „Es ist ein Zusammenspiel aus Forschung und Industrie, um die kritische Infrastruktur zu bündeln und zu einem neuen Medium zusammenzufassen“, sagt Schweikert. Neue Dienste wie diese extrem kritische Infrastruktur zu betreuen, dazu habe Telemaxx beigetragen. Und auch, die Forschung „in einem wirtschaftlichen System darzustellen“.

Telemaxx hatte auch die Glasfaserkabel unter dem Campus Ost verlegt. „Es wird oft vergessen, dass Glasfaser die Voraussetzung für gutes Wlan ist“, sagt René Bonk von Nokia. „In unserem Szenario wurde jede Straßenlampe mit Glasfaser und Wlan ausgestattet.“ Im Kiglis-Projekt hat sich laut Bonk gezeigt, dass der Glasfaserausbau bereits mit vier Prozent Mehrkosten zukunftssicher gemacht werden könnte, etwa in Form von Leerrohren für künftige Kabel, damit nicht noch einmal die Straße aufgerissen werden muss. Auf lange Sicht könnten auch Autohersteller von der Forschung profitieren. Kameras an Kreuzungen würden Fahrzeugen, denen die Erkenntnisse per Wlan übermittelt werden, beispielsweise auch den Blick um die Ecke erlauben. Denn die Innenstadt mit ihren komplizierten Kreuzungen ist bislang noch Zukunftsmusik, was das autonome Fahren angeht. Der Informationsfluss kann aber auch von einem Fahrzeug ausgehen, das etwa eine Gefahrensituation erkannt hat. „Die Autos könnten sich gegenseitig warnen, indem sie ihre Daten teilen“, sagt KIT-Experte Professor Sebastion Randel. Shuttle-Betreiber ZFI zeigt sich nach drei Jahren Forschung zufrieden. „Wir haben KI-basierte Methoden zur Unterstützung des autonomen Fahrens durch einen Leitstand erforscht und dabei große Fortschritte gemacht“, sagt FZI-Mitarbeiter Stefan Orf. Und auch Nokia ist von der Forschung angetan. „Ein Teil von Kiglis wird 2030 in unseren Produkten sein“, sagt Bonk. Und noch einen Vorteil nimmt er in Zeiten des Fachkräftemangels mit. „Ich konnte dem KIT den ein oder anderen Doktoranden abluchsen“, lacht Bonk – Kiglis war also auch für die Wirtschaft vielfach nützlich.